Die Geschichte der Skulpturen des 11. Internationales Bildhauersmyposions.
Auf dieser Seite erfährst du mehr über die Materialien der Skulpturen, ihre Geschichten und zu den Gedanken der fünf Künstler*innen.
Plus-Minus Kunst der Unterredung von Erika Inger
Material: Sandstein
Abmessungen: H 3,00 Meter, L 2,50 Meter, B 1,30 Meter (Ensemble)
Standort: 67661 Mölschbach
Geodaten: 49°22'46.50"N 7°49'16.09"E
Die Arbeit Plus-Minus die Kunst der Unterredung besteht aus zwei Stelen, die sich hoch aufragend gegenüber stehen. Mächtig ruht jeder der beiden gestalteten Sandsteinblöcke, in sich gefestigt und doch leicht gegeneinander geneigt. Gleich sind sie und doch verschieden, ganz so wie die Menschen. Sind sie sich eins oder uneins?
Erika Inger zitiert im Zusammenhang mit ihrer Skulptur den indischen Pazifisten und Philosophen Mahatma Ghandi: »Eine ehrliche Meinungsverschiedenheit ist häufig ein gutes Zeichen für einen Fortschritt.« Denn miteinander reden, im Gespräch zu sein und zu bleiben, egal ob man einer Meinung ist, ist für die österreichisch-italienische Bildhauerin das Wichtigste schlechthin. Auch oder gerade in einer Demokratie betont sie und stellt damit den Zusammenhang zur Jetztzeit her. Harmonie ist nicht immer notwendig, ist sie überzeugt, Achtsamkeit, Respekt und Akzeptanz allerdings schon.
An Gegensätzen und Widersprüchen könne man wachsen, Dinge kämen dann in Bewegung, ganz wie die Oberflächen der beiden Steine mit ihren aufstrebenden Linien und dem bewegten Schwung der Vertiefungen dies suggerieren. Es geht demnach sowohl formal als auch inhaltlich um Kommunikation und Bewegung. Denn ein weiterer Ansatz für die Steinbildhauerin ist das Phänomen der Völkerwanderung, wie wir es heute in den Flüchtlingsströmen, die nach Europa kommen, sehen. Anfangs, meint die Künstlerin, war und ist die Ankunft von Migranten immer schwierig, löst Reibung aus, später aber würde offenbar, was sich alles Positives daraus ergeben, was man daraus machen könne.
Das ist vergleichbar mit ihrer Suche nach dem Ursprünglichen im Stein, nach Dingen, die da schon lange vorhanden sind und durch den schöpferischen Akt des Künstlers freigelegt werden. Wenn die beiden Steinstelen dann an ihrem Bestimmungsort in Mölschbach aufgestellt sind, kann jeder Betrachter für sich entscheiden, ob er dort ein streitendes Paar vor sich sieht oder einfach zwei miteinander versöhnte Mitbürger.
Text von Dr. Claudia Gross
Antrum von Florian Andrea Müller
Material: Sandstein
Abmessungen: H 2,40 Meter, L 2,15 Meter, B 2,25 Meter
Standort: 67659 Kaiserslautern, Hagelgrund
Geodaten: 49°28'02.66"N 7°47'57.43"E
Am mächtigen Eingangstor zum Steinbruch befindet sich der Arbeitsplatz von Florian Müller. Noch bevor ich den riesigen Steinquader sehen kann, bin ich betäubt vom ohrenbetäubenden Geratter des Kompressors. Über einen beachtlichen Haufen größerer und kleiner Sandsteinbrocken nähere ich mich. Erst jetzt entdecke ich den Künstler. Er ist bereits fast komplett in seinem Stein verschwunden, auf einer Stufe kauernd meißelt er um sich herum die Höhle (ital. Antrum), arbeitet sich nach oben ins Freie zu dem Ausstiegsloch, das er vorher schon in die Oberseite des Steins gebohrt hat. Hier kann Mensch einund aussteigen, sich treffen, verstecken, Schutz suchen, die Natur, den Ausblick genießen.
Die »Skulptur« befindet sich bei Florian Müller im Innern des Steins, als begehbarer, bespielbarer Raum. Die Außenform des Blocks, im ursprünglichen Zustand 15 Tonnen schwer, bleibt dagegen so gut wie unangetastet in all seiner Schwere und
Ernsthaftigkeit. Vor dem großen Block liegt ein konkav
ausgearbeiteter Stein, der die Arbeit komplettiert, indem er wie eine Schale Wasser, Nahrung oder Gerät aufnehmen kann – »ein Behältnis als Grundausstattung für häusliches Leben« (Müller). Der Künstler hat sich mit Urformen menschlicher Behausungen und Siedungsformen beschäftigt – so findet seine Antrum- Höhle jahrtausendalte Verwandte in der Catal-Hüyük-Siedlung in der Türkei oder in den Domus de Janas auf Sardinien.
Polaritäten in Balance zu bringen ist ein häufiges Prinzip in Müllers Kunst:
Bewegung, Spiel, Lockerheit und Ironie auf der einen Seite, jedoch nie in Plattheit oder
formale Attitüde abgleitend – auf der anderen Seite das
Thema, der künstlerische Kommentar zu Situationen und Geschehnissen unserer
Zeit, reflektiert mit Ernst und in größtmöglicher Ehrlichkeit, aber nie moralisierend.
Ambivalenz ist ihm in seiner Arbeit wichtig: Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung
mit einem Thema fließen zusammen mit Leichtigkeit, Humor und Ironie in der Umsetzung. Müller: »Ironie setze ich ein, um die Wahrheit erträglicher zu machen.« Zu beobachten ist dieser Grundsatz auch in vielen seiner anderen Arbeiten, in denen er nicht nur
bildhauerisch arbeitet, sondern interdisziplinär mit den Mitteln von Theater, Text, Performance, Zeichnung, Comic und Musik. Die Skulptur wird durchaus auch ohne theoretisches Hintergrundwissen lebendig sein, als Ort der Ruhe, als Treffpunkt, zum Begreifen, Bespielen oder als sehr besonderer Platz in der Natur.
Text von Birgit Knappe
Konferenzraum für Fünf von Christian Hess
Material: Sandstein
Abmessungen: H 2,30 Meter, D 1,60 Meter
Standort: 67685 Weilerbach, Ziegelhütte
Geodaten: 49°29'15.71"N 7°39'00.42"E
Die Konferenzräume, die wir gemeinhin kennen, sind auf einer Büroetage, etwas größer als die anderen Räume und mit zahlreichen Stühlen an langen Tischen ausgestattet, auf denen kleine Getränkeinseln stehen. Der Konferenzraum, in den der Bildhauer, Zeichner und Performancekünstler Christian Heß zum Gespräch einlädt, befindet sich indessen in einer fünfeckigen Stele. Auf jeder der fünf Seiten hat er eine eigene Höhle für den Kopf des jeweiligen Konferenzraumbesuchers geschaffen.
Die Idee geht zwanzig Jahre zurück in seine Studienzeit. Damals hat der Künstler etwas Ähnliches in Keramik geschaffen, heute reizt ihn die Umsetzung in Stein. Aus einem 15-Tonnen- Block hat er zuerst die pentagonale Form gehauen und dann von unten her bis in 1,50 m Höhe eine Mittelbohrung mit 16 cm Durchmesser angebracht. Bohrung und Höhlen sind durch Kanäle, 7 cm im Durchmesser, verbunden, damit man auch tatsächlich konferieren kann.
Es ist Heß‘ analoge Antwort auf digitale Chatrooms, die vor zwanzig Jahren ihren Anfang nahmen und gerade in dieser Zeit, in der ein großer Teil unseres Lebens in den Cyberspace verlagert wurde, eine ganz neue Aktualität gewonnen haben. Wie es ist, zwar miteinander in Kontakt zu sein, ohne sich aber sehen, riechen und somit wahrnehmen zu können, darum geht es dem Künstler. Ein Teil der Botschaft, der ursprünglichen Bedeutung entfällt, so Heß, wenn Gestik und Mimik des Sprechenden für den Adressaten nicht sichtbar sind. Ja, man kann sich noch nicht einmal sicher sein, wer der Kommunikationspartner tatsächlich ist. Und dieses Moment touchiert die Probleme der virtuellen Welt, die sich etwa in Fake- Accounts, Cyber-Mobbing oder Ghosting manifestieren.
Hier aber treffen sich die Konferenzteilnehmer zum Glück nicht an einem Computer, sondern an einer Sandsteinskulptur. Wenn hier einer den Kopf zum Gespräch in die Höhle beugt, dann riecht er den Stein, spürt die Kälte und Ruhe, die von ihm ausgeht. Der Jahrtausende-alte Stein mischt sich sozusagen in die Wahrnehmung ein. Und dann kann man freilich auch gespannt darauf sein, wie viel des Gesagten er für sich behalten möchte und was schließlich, so ganz wie bei dem schönen Spiel »Stille Post«, am Ende bei dem Hörenden ankommt.
Text von Dr. Claudia Gross
Das Tier von Thomas Gerhards
Material: Eisen, lackiert
Abmessungen: H 2,50 Meter, L 5,00 Meter, B 4,00 Meter
Standort: 67657 Kaiserlautern, Hagelgrund
Geodaten: 49°27'58.0"N 7°48'15.3"E
»Reglos steht das Tier am schattigen Saum des Waldes« …dieser Satz könnte einem Heimatroman entnommen sein, doch er beschreibt das Kunstwerk von Thomas Gerhards. Die Stahlkonstruktion des Münsteraner Künstlers zeigt sich dem Betrachter im Hagelgrund auf einer Fläche von ca. vier mal fünf Meter; knapp drei Meter ragt die Figur in die Höhe.
Gefertigt ist das Tier aus dickwandigem, pulverbeschichtetem Stahl. Der untere Teil besteht aus vier tragenden Elementen, gestrichen in intensivem Rot, jeweils in der Mitte und unten versehen mit einem scheinbar beweglichen Gelenk. Auf schmalen Platten münden die vier Elemente auf den Boden. Oberhalb der vier Beine befindet sich ein Teller mit einer angedeuteten Hydraulik, auf den ein fast drei Meter langer Käfig aus grauem Stahl montiert ist. Die Rundstäbe des Käfigs, vier Zentimeter dick und ein Meter hoch, stehen weit auseinander.
Der Käfig ist lang und schmal, ungewohnt in den Proportionen, die Tür des Käfigs ist montiert in Richtung des Betrachters – und steht offen. Es ist das Spiel mit Kontrasten, wodurch die Figur den Betrachter in ihren Bann zieht. Der Stahl, als Material Härte und Belastbarkeit suggerierend, ist geformt in eine fast grazile Figur, die Beine des Objekts muten insektenartig an, ihre Farbe leuchtet weithin. Die angebrachten Gelenke lassen Beweglichkeit vermuten. Der darauf sitzende Teller mit seiner Hydraulik macht den Anschein, als könne der obere Teil sich in alle Richtungen drehen. Der Käfig kann nicht wirklich Kerker sein für ein Wesen: die Stäbe sind zu weit auseinander gesetzt.
In seiner langgezogenen Form erlaubt er keine spontane Assoziation: Nicht Bär, nicht Tiger passen hier rein. Vielleicht ein Lindwurm? Wie erstarrt steht die Figur da, eine Momentaufnahme der Veränderung: Soeben tat sich Gewaltiges: die Tür des Käfigs schwang auf, das Wesen darin entschwand, konnte fliehen. Auch die Farbgebung der Beine, das Signalfarbenrot von Baustellenfahrzeugen, warnt: »Vorsicht, etwas ist passiert.«
Was sich eben noch in dem Käfig befand, es ist jetzt frei. Nichts an der Figur ist eindeutig, schon gar nicht der Titel: Ist mit das Tier jenes Wesen gemeint, das vermeintlich gerade dem Käfig entfloh? Oder ist es die Figur selbst, diese Mischung aus Baukran und Zirkuskäfig, die Chimäre? Die griechische Mythologie charakterisiert Chimären als unbändig und wild, als nicht vom Menschen zu bezwingen. So steht die Figur am Saum des Waldes da, dem Betrachter zugewandt – wer beobachtet wen?
Text von Sabine Michels
Die Laube von Ulrich Schreiber
Material: Flachstahl, gebogen, verschweißt, gerostet
Abmessungen: H 2,50 Meter, D 4,00 Meter
Standort: 67663 Kaiserslautern
Gelände der RPTU Kaiserslautern
Um eine Bank rankt sich ein Rund aus einer scheinbar gewachsenen Metallhecke, ähnlich der Rosenmauer um Dornröschens Schloss. Der Wanderer entlang des Skulpturenwegs, der in diese verwunschene Laube eintritt um zu rasten, wird umfangen von sichelförmigen Metallblättern- und ranken, die sich zu einem Gesträuch verschlingen. Mal ist das Laubwerk aus Kreissegmenten dichter mal weiter, ganz wie es bei einer natürlichen Hecke ebenfalls vorkommt. Der Blick des Rastenden fällt nun durch das Metallgezweig auf die umgebende Natur, ja, die flachen Bögen rahmen seinen Ausblick.
Tatsächlich könnte man sagen, dass wir hier die Umgebung durch die Augen des Künstlers sehen, denn er gestaltet mit der Formgebung seiner Metallgestaltung aus sich berührenden und überlappenden Kreisabschnitten unseren Blick. Die Durchblicke, die uns der Künstler durch seine Skulptur auf die Landschaft gewährt, sind also die eine Sache, das gestaltete Gefüge die andere.
Ulrich Schreiber ist mit Leib und Seele Metallplastiker, seit er das Material während der Studienzeit für sich entdeckt hat. Selbst die Skizzen für die großformatigen Arbeiten fertigt er aus Metall. Die Idee der Laube wurzelt in gefundenen Strukturen, zum Beispiel von französischen Streckmetallzäunen, deren Gestaltung den Plastiker begeistert
und den Wunsch in ihm geweckt haben, eine Strukturarbeit zu bauen, in die man hineingehen und in der man sitzen kann.
Dabei ist eine Laube aus Metall per se erst mal nichts ungewöhnliches, denken wir nur an Rosenlauben in Gärten und Parks wie etwa dem Fürst-Pückler-Park in Branitz. Ein zierliches Gestänge dient hier als Rankhilfe, bis Rose oder Waldrebe den Aufbau gänzlich überwuchert haben. Bei Ulrich Schreibers Laube verschmelzen indessen Rankhilfe und Pflanzenpracht zu einer Einheit, vier Meter im Durchmesser und zweieinhalb Meter hoch.
Der Betrachter findet sich vor der Anmutung einer Laube wieder, vor einer metallenen Linienarbeit, die für uns durch gestalteten und umgebenden Raum Volumen darstellt. Vollendet wird der Zauber, wenn die Sonne ihre Strahlen durch die Metallarbeit schickt und sich damit innen und außen die Arbeit mittels des Schattenspiels über die eigenen Grenzen weiterentwickeln kann.
Text von Dr. Claudia Gross